Teilrevision Polizeigesetz: Entwurf liegt vor
Die Sicherheitsdirektion erarbeitet seit 2021 eine Teilrevision des kantonalen Polizeigesetzes. Die Revisionsbestrebungen betreffen im Wesentlichen den Einsatz von technischen Überwachungsgeräten zur Feststellung des Standortes von Personen oder Sachen (GPS-Ortungsgeräte), die Videoüberwachung des Strassenverkehrs und die automatisierte Fahrzeugfahndung, den Einsatz von Software zur Informationsbeschaffung im virtuellen Raum und den überkantonalen polizeilichen Datenaustausch. Die Datenschutzbeauftragte berät die Sicherheitsdirektion seit Aufnahme der Revisionsarbeiten punktuell zu datenschutzrechtlichen Fragen und nimmt zu den erarbeiteten Revisionsentwürfen Stellung. 2023 hat sich die Datenschutzbeauftragte im Rahmen der Vernehmlassung zum Entwurf geäussert.
Im Nachgang zum Vernehmlassungsverfahren hat die Datenschutzbeauftragte 2024 die Sicherheitsdirektion weiter beraten, um die im Vernehmlassungsverfahren bemängelten Bestimmungen des Revisionsentwurfes zu überarbeiten. Die wesentlichen Kritikpunkte der Datenschutzbeauftragten betrafen nach wie vor die Unbestimmtheit zentraler Bestimmungen des Entwurfes sowie vereinzelt die Unverhältnismässigkeit gewisser vorgesehener Bearbeitungen von Personendaten. Sie bemängelte, dass die vorgesehene Bestimmung über die automatisierte Verkehrsfahndung in verschiedenen Punkten von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung abweicht und forderte eine Einschränkung der Bestimmung. Sie hielt ausserdem fest, dass die Bestimmung zum polizeilichen Datenaustausch in der vorgesehenen Form dem verfassungsrechtlichen Gebot der hinreichenden Bestimmtheit nicht genüge.
Die Hinweise der Datenschutzbeauftragten wurden im Zuge dieser Arbeiten teilweise, aber nicht vollständig berücksichtigt. Der Regierungsrat überwies den Revisionsentwurf mit Antrag vom 28. August 2024 an den Kantonsrat.
Aktuelle Entwicklung
Als Reaktion auf den Bundesgerichtsentscheid 1C_63/2023 vom 17. Oktober 2024, der die Rahmenbedingungen bei schweren polizeilichen Eingriffen in die informationelle Selbstbestimmung weiter präzisierte, wurde der Revisionsentwurf durch die Sicherheitsdirektion ein weiteres Mal weitgehend überarbeitet. Die vorgesehene Bestimmung zur automatisierten Fahrzeugfahndung wurde vollständig gestrichen. Bei der Informationsbeschaffung im virtuellen Raum wurden die Voraussetzungen zur Beschaffung von nicht öffentlich zugänglichen Informationen präzisiert. Die Verwendung von Analysesystemen wurde in einer separaten Bestimmung geregelt. Die Bestimmung zur überkantonalen polizeilichen Zusammenarbeit wurde insbesondere bezüglich der vorgesehenen Abrufverfahren und gemeinsamer Informationssysteme detailliert und eingeschränkt. Der Regierungsrat hat den neuen Revisionsentwurf am 5. März 2025 erneut an den Kantonsrat überwiesen.
Die wesentlichen Kritikpunkte der Datenschutzbeauftragten betrafen nach wie vor die Unbestimmtheit zentraler Bestimmungen des Entwurfes sowie vereinzelt die Unverhältnismässigkeit gewisser vorgesehener Personendatenbearbeitungen.
Wegweisender Bundesgerichtsentscheid für neues Polizeigesetz
Mit Urteil vom 17. Oktober 2024 entschied das Bundesgericht über die Zulässigkeit verschiedener Änderungen des Gesetzes über die Luzerner Polizei und präzisierte dabei seine Rechtsprechung in verschiedenen Bereichen polizeilicher Eingriffe in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Die vom Bundesgericht überprüften Bestimmungen des Luzerner Polizeigesetzes betrafen die automatische Fahrzeugfahndung und Verkehrsüberwachung (AFV), den Betrieb von Analysesystemen im Bereich der seriellen Kriminalität, den gemeinsamen Betrieb von Einsatzleitzentralen, den polizeilichen Informationssystem-Verbund des Bundes und der Kantone und Systeme zur Darstellung von Lagebildern.
Zur automatischen Fahrzeugfahndung und Verkehrsüberwachung (AFV), die nach dem Willen des Gesetzgebers im Kanton Luzern vor allem zur Strafverfolgung eingesetzt werden sollte, hielt das Bundesgericht fest, dass dem Kanton im Bereich des Strafprozessrechts (mit Ausnahmen) keine Rechtsetzungskompetenz zukomme. Die AFV zu Strafverfolgungszwecken bedürfe einer Grundlage in der Eidgenössischen Strafprozessordnung. Weil sich die vorgesehene AFV und die mit ihr vorgesehene, weitreichende Datenerfassung, -auswertung und -aufbewahrung für den verbleibenden Anwendungsbereich der Fahndung nach Personen oder Sachen als nicht verhältnismässig erwies, wurde die Bestimmung vollständig aufgehoben.
Zum Betrieb von Analysesystemen hielt das Bundesgericht fest, dass die vorgesehene Bestimmung aufgrund mangelnder Bestimmtheit nicht als gesetzliche Grundlage für schwerwiegende Grundrechtseingriffe genüge, wie sie beim Einsatz von «intelligenten» Analysesystemen zur automatisierten Analyse von grossen Datenbeständen vorlägen. Damit sei unter der Bestimmung lediglich der Einsatz von «einfachen» Analysesystemen möglich, bei denen die Analyse nicht aufgrund von Algorithmen, sondern durch menschliche Analystinnen und Analysten erfolgt und die Daten manuell eingegeben werden.
Die Bestimmung, die im Luzerner Polizeigesetz als Grundlage des polizeilichen Informationssystem-Verbund des Bundes und der Kantone hätte dienen sollen, hob das Bundesgericht auf, weil sie in der vorgesehenen Form ein überwiegendes öffentliches Interesse vermissen lasse, gegen das Verhältnismässigkeitsprinzip verstosse und dem Bestimmtheitsgebot nicht genüge. Beiläufig bemerkte das Bundesgericht dabei auch, dass es nicht ohne Weiteres ersichtlich sei, wie ein polizeilicher Informationssystem-Verbund des Bundes und der Kantone auf der Grundlage einer Vielzahl von unter Umständen divergierenden kantonalrechtlichen Regelungen zielführend und praktikabel umgesetzt werden kann.
Das Urteil ist für die Teilrevision des Polizeigesetzes im Kanton Zürich insofern von Interesse, als es mehrere Regelungsbereiche betrifft, die auch im Kanton Zürich Teil des Revisionsvorhabens sind.
Die Sicherheitsdirektion hat nach Ergehen dieses Entscheids des Bundesgerichts den Revisionsentwurf des Polizeigesetzes des Kantons Zürich überarbeitet. Am 5. März 2025 wurde dem Kantonsrat ein neuer Revisionsentwurf beantragt.
Revision des Straf- und Justizvollzugsgesetzes
2024 hat die Direktion der Justiz und des Innern eine Teilrevision des Straf- und Justizvollzugsgesetzes in die Vernehmlassung geschickt. Datenschutzrechtlich relevante Bestimmungen umfassen die audiovisuelle Überwachung und die Überwachung von Kontakten beim Einsatz von IKT-Geräten im Strafvollzug, eine allgemeine Bestimmung zur Datenbearbeitung und Datenbekanntgabe durch die Straf- und Justizvollzugsbehörden sowie eine umfassende Regelung zum Electronic Monitoring.
Die Datenschutzbeauftragte begrüsst den Erlass von formell-gesetzlichen Rechtsgrundlagen für die audiovisuelle Überwachung mit technischen Geräten in Vollzugseinrichtungen und die Überwachung von Kontakten beim Einsatz von IKT-Geräten. Zwar sind die vorgesehenen Bestimmungen generell gehalten, erscheinen aber unter der Berücksichtigung des Sonderstatusverhältnisses, in dem sich die in Vollzugseinrichtungen eingewiesenen Personen befinden, als verfassungskonform. Die Datenschutzbeauftragte hat darauf hingewiesen, dass diese generellen Gesetzesbestimmungen der Detaillierung in einer Verordnung oder einem Reglement bedürfen.
Sowohl bei der vorgeschlagenen Generalklausel zu Datenbearbeitungen als auch der Bestimmung zum Datenaustausch sieht die Datenschutzbeauftragte Verbesserungsbedarf. Diese Bestimmungen erscheinen aufgrund der bundesgerichtlichen Rechtsprechung wegen ihrer Unbestimmtheit als ungeeignet, eigenständige formell-gesetzliche Rechtsgrundlagen zu bilden.
Bezüglich der Regelung des Electronic Monitoring hat die Datenschutzbeauftragte in der Vernehmlassung daran erinnert, dass die bundesrechtlichen Rechtsgrundlagen zum Electronic Monitoring bestimmen, zu welchen Zwecken Personendaten bearbeitet werden dürfen. Da die mit dem Revisionsvorhaben vorgesehene Regelung eine weitgehende Erweiterung dieser Zwecke vorsieht, hat sie zur Überprüfung geraten, ob und wo die bundesrechtlichen Regelungen abschliessender Natur sind und weitergehendes kantonales Recht zulässig ist.
Die Datenschutzbeauftragte begrüsst den Erlass von formell-gesetzlichen Rechtsgrundlagen für die audiovisuelle Überwachung mit technischen Geräten in Vollzugseinrichtungen und die Überwachung von Kontakten beim Einsatz von IKT-Geräten.
Interkantonale Vereinbarung zum elektronischen Datenaustausch im Justizvollzug
Im November 2024 hat die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren die Vernehmlassung zur interkantonalen Vereinbarung zum elektronischen Datenaustausch im Justizvollzug eröffnet. Mit dieser Vereinbarung sollen die Rechtsgrundlagen für den elektronischen Datenaustausch zwischen den Justizvollzugsbehörden der verschiedenen Kantone geschaffen werden.
Es ist vorgesehen, ein elektronisches Aktenablagesystem zu schaffen, das den interkantonalen Austausch von elektronischen Justizvollzugsakten ermöglicht. Zudem soll eine zentrale Datenbank entstehen, in der aktuelle Personendaten im Justizvollzug sowie Informationen zu freien Plätzen in den über die gesamte Schweiz verteilten Vollzugseinrichtungen gesammelt werden.
Die Datenschutzbeauftragte hat in Zusammenarbeit mit privatim, der Konferenz der schweizerischen Datenschutzbeauftragten, an der Vernehmlassung teilgenommen. Neben Hinweisen zu den Verträgen hat sie auf vereinzelten Korrekturbedarf vor dem Hintergrund des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes und der von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Anforderungen an die Regelungsdichte hingewiesen.